Polizei hospitiert beim DRK Biberach für eine noch stärkere Zusammenarbeit
Von Reanimation bis Körperverletzung: Polizisten fahren für eine Nacht im Rettungswagen mit.
Verkehrsunfälle, Veranstaltungen oder hilflose Personen: Polizei und Rettungsdienst arbeiten täglich eng zusammen, um Menschen in Not zu helfen. Doch was passiert, wenn ein Polizist in die Rolle eines Notfallsanitäters schlüpft? Genau das haben der Biberacher Revierleiter Polizeioberrat Stefan Prießner und Polizeioberkommissar Andreas Gnannt getan. Sie haben die Kolleginnen und Kollegen des DRK Biberach jeweils eine Nacht im Rettungswagen begleitet – und ein Einsatz führte sie sogar aufs Polizeirevier.
Rasch noch die Dienstkleidung angezogen und mit Blaulicht zum ersten Notfall: „Ich erlebte einen richtigen Kaltstart“, erzählt Stefan Prießner über den Beginn seiner Hospitation beim DRK Biberach. „Wir wurden zu einer Patientin mit Verdacht auf Herzinfarkt gerufen und haben sie nach einer Erstversorgung in eine Klinik gebracht.“ Solche Momente von null auf 100 kennt der Polizist, weil es in seiner Zeit im Streifendienst oftmals genauso passiert ist. Notrufe lassen sich nicht planen, weshalb auch bei der Hospitation völlig offen war, ob und welche Einsätze überhaupt anstehen.
Beide Hospitationen fanden in einer Nacht von Freitag auf Samstag statt. In dieser Schicht ist mit hoher Wahrscheinlichkeit einiges los. In Summe waren es bei Stefan Prießner fünf Einsätze – von Hausnotruf bis Reanimation. „Durch die unterschiedlichen Notfälle habe ich einen tiefen Einblick in die Arbeit der DRK-Kollegen erhalten“, sagt der Revierleiter. „Wir hatten auch Zeit, um uns über unsere jeweiligen Vorgehensweisen bei gemeinsamen Einsätzen oder Schadensereignissen auszutauschen.“ Das sei wichtig, um ein größeres Verständnis füreinander zu schaffen: „Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und DRK ist durchweg positiv. Trotzdem gibt es immer Stellschrauben, an denen wir drehen können.“
Auch für Polizeioberkommissar Andreas Gnannt war die Hospitation ein Gewinn: „Wir haben im dienstlichen Alltag viel miteinander zu tun und trotzdem sind die gegenseitigen Abläufe nicht umfassend bekannt. Während der Hospitation haben wir viel voneinander lernen können.“ Auch er erlebte ein breites Spektrum an Einsätzen, von Auseinandersetzungen bis zur Einweisung in eine psychiatrische Klinik. „Die DRK-Kollegen versorgen nicht nur körperliche, sondern auch seelische Wunden. Hierbei werden sie in ihrer Funktion zumeist eher als Helfer anerkannt als die Polizei“, erzählt der Polizeioberkommissar. Im Fall der Einweisung überzeugten die Notfallsanitäter die Frau in einem längeren, einfühlsamen Gespräch, diesen Schritt freiwillig zu gehen. Ansonsten hätte die Polizei für eine Zwangseinweisung verständigt werden müssen.
Besonders spannend waren für die Polizisten jene Einsätze, bei denen sie auf ihre Kollegen getroffen sind. Meistens war dies bei Betrunkenen und Schlägereien der Fall. Das Team mit Stefan Prießner kam sogar direkt aufs Polizeirevier. Die Polizeibeamten hatten einen stark betrunkenen Mann in Gewahrsam genommen. Da er in der Ausnüchterungszelle über Kopfschmerzen klagte und sein Gesundheitszustand medizinisch abgeklärt werden musste, wurde der Rettungsdienst verständigt. „Die Kollegen auf dem Revier wussten zwar, dass ich in dieser Nacht beim DRK hospitiere. Trotzdem hat mein Besuch in DRK-Kleidung kurz zu erstaunten Blicken geführt.“
„Der Dienst war zwischen den Kollegen des Rettungsdienstes und der Polizei auf Augenhöhe und hat allen Beteiligten viel Freude bereitet“, schildert Andreas Braungardt, stellvertretende Leitung Rettungsdienst, die Erlebnisse seiner Kolleginnen und Kollegen. Man habe auch kritisch darüber gesprochen, wann Einsätze auch von der Polizei oder dem Rettungsdienst allein gefahren werden können: „Auf beiden Seiten ist die Personalsituation angespannt, weshalb wir keine unnötigen Rettungsmittel binden sollten.“ Darüber hinaus haben die Polizisten Erste-Hilfe-Wissen aufgefrischt, was sie als Ersthelfer anwenden können.
In Krisen Köpfe kennen – unter diesem Leitgedanken initiierten beide Seiten die Hospitation. Die Zusammenarbeit beginnt bereits beim Notruf. „Die Integrierte Leitstelle ist die Schnittstelle für die Notrufnummern 110 und 112“, erläutert Michael Mutschler, Geschäftsführung Rettungsdienst. Wenn ein Notruf für die Polizei eingeht, werden die einsatzrelevanten Informationen an das Führungs- und Lagezentrum der Polizei in Ulm weitergegeben und umgekehrt. „Wir sind innerhalb der Blaulichtfamilie immer im engen Austausch und haben ein gutes Miteinander“, sagt Michael Mutschler. „Trotz unterschiedlicher Aufgabenbereiche haben wir ein Ziel: Den Schutz von Menschenleben.“